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Die Theorie der Novelle

Novelle: seit der Renaissance literarischer Begriff für eine Erzählung in Prosa (seltener in Versform), die ein Ereignis oder eine Abfolge weniger Geschehnisse gestaltet. Ein Konflikt steht im Mittelpunkt der Handlung. Formal ist eine straffe, zielgerichtete Handlungsführung charakteristisch.

Abgrenzung zu anderen Gattungen

Die N. unterscheidet sich von der Kurzgeschichte v. a. durch ihre geschlossene Form. Innerhalb dieser Form weist sie Wende- und Höhepunkte auf. Weitere Elemente in der N. sind Vorausdeutungen, Dingsymbole und Leitmotive. Von Märchen, Legende und Fabel unterscheidet sich die N. durch ihren Realitätsbezug. Im Gegensatz zum Roman liegt die Konzentration in der N. auf der Darstellung eines Einzelkonflikts; ausführliche Beschreibungen von der äußeren Umgebung oder den psychologischen Zuständen treten in den Hintergrund. Häufig sind N. in einem Zyklus versammelt oder in eine Rahmenhandlung eingebettet, die einen historischen oder gesellschaftlichen Bezug herstellt, z. B. in "Das Dekameron" (entstanden 1348-53) von Giovanni Boccaccio.

Seit der Romantik gab es Versuche, eine Theorie der N. zu schaffen. Den inhaltlichen Aspekt betonte Goethe mit seiner Definition der N. als Beschreibung einer "unerhörten Begebenheit", während Ludwig Tieck und August Wilhelm von Schlegel die straffe Komposition hervorhoben.

Entwicklung

Erste Vorläufer der N. finden sich seit der Antike und in persischen, indischen und arabischen Sammelwerken, wie etwa in "Tausendundeine Nacht" (entstanden 8. Jh. bis vermutlich 16. Jh.). Ende des 13. Jh. entstand die älteste volkssprachliche Novellensammlung "Il novellino". In den romantischen Literaturen bildeten sich die Hauptarten der europäischen N. heraus. In Deutschland standen gegen Ende des 18. Jh. neben Übertragungen aus den romantischen Sprachen Nachbildungen (Christoph Martin Wielands Zyklus "Das Hexameron von Rosenhain", 1805) auch aktuelle N. (Goethe "Unterhaltungen deutscher Ausgewanderter", 1795).

Erst im 19. Jh. entwickelten sich neue Ansätze, die z. B. zu einer psychologischen Vertiefung der Figuren führten. Als Höhepunkt gelten in diesem Zusammenhang die französischen N. von Prosper Mérimée und Guy de Maupassant. Aus dem angloamerikanischen Sprachraum kommen so bedeutende Vertreter wie Edgar Allan Poe, Herman Melville, Henry James und Nathaniel Hawthorne. Berühmte deutsche N. stammen von Heinrich von Kleist ("Die Marquise von O...", 1808), Annette von Droste-Hülshoff ("Die Judenbuche", 1842), Gottfried Keller ("Die Leute von Seldwyla", 1856) oder Theodor Storm ("Der Schimmelreiter", 1888).