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Die Frage nach dem Maßstab für Gerechtigkeit

Auf die Formel "Jedem das Seine" lassen sich [...] alle Gerechtigkeitsformeln als Konkretisierungen und Interpretationen derselben zurückführen. Der Begriff des Gerechtigkeit kann daher auch dahingehend formuliert werden, dass er diejenige Eigenschaft einer Handlung, eines Handlungssubjekts oder einer Norm meint, durch die jedem das Seine gegeben oder belassen wird.

Was aber bedeutet "Jedem das Seine"? Wonach bemisst sich, was einem jeden als das Seine zusteht? Eine häufige Antwort darauf lautet: Maßstab dessen, was einem jeden zusteht, ist das Recht. Für die uns interessierende Frage scheint sich damit freilich ein schlimmer Zirkel anzubahnen. Wir fragen nach der Gerechtigkeit als Maßstab des Rechts und werden auf das Recht als Maßstab der Gerechtigkeit verwiesen.

Aus diesem Zirkel gibt es zwei Auswege:

  1. Der eine besteht darin, dass man zweierlei Arten von Recht unterscheidet:
    bulletdas positive, von Menschen, insbesondere vom staatlichen Gesetzgeber gesetzte Recht und
    bulletein überpositives, das heißt natürliches oder vernünftiges Recht.
  2. Der zweite Ausweg liegt darin, dass man die Art und Weise, in der positives Recht zustande kommt, an gewisse Regeln bindet, deren Einhaltung die Gerechtigkeit des positiven Rechts verbürgen soll. Als solche Regeln kommen etwa Normen über das demokratisch-parlamentarische Gesetzgebungsverfahren in Betracht.

 

Quelle: Ethik - Arbeitsbuch 12